Die Menschen in unserem Land werden immer älter und brauchen im Laufe ihres Lebens immer mehr medizinische Behandlung.

Damit die Ärzte und Psychotherapeuten auch in Zukunft noch für Sie nah sein können, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden: Das Gründen oder Übernehmen von und auch das Arbeiten in Praxen muss attraktiv und zeitgemäß bleiben.

Hierfür haben die Praxen ein 7-Punkte-Programm zusammengestellt, mit dem die drängendsten Probleme gelöst werden können.

1. Tragfähige Finanzierung

Die allgemeine Teuerung in den zurückliegenden Jahren macht auch vor den Praxen nicht Halt. Dazu gehören stark gestiegene Kosten für Personal, Energie, Mieten, Material oder medizinische Geräte – oder für die gesetzlich vorgeschriebene Digitalisierung. Während die Verbraucherpreise zwischen 2019 und 2022 um fast 12 Prozent gestiegen sind und die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen sich ähnlich verbessert hat, haben die Praxen in dieser Zeit zusammengerechnet nur 6 Prozent mehr erhalten (sogenannter Orientierungswert). Die Praxen machen damit Jahr für Jahr Minus.

Die Preise für ärztliche Leistungen müssen jährlich so angepasst werden, dass sie die Kosten zuverlässig decken.

2. Abschaffung der Budgets

Die Finanzierung der Praxen ist äußerst kompliziert, das Problem aber ist ganz einfach: Sie leisten mehr als sie bezahlt bekommen. Seit Jahren schon führt die Budgetierung dazu, dass die Praxen statistisch gesehen ab Mitte November bis zum Jahresende ohne Bezahlung arbeiten. Den symbolischen Stichtag markierten sie 2023 erstmals am 15. November mit dem #ZeroPayDay als Beginn der unbezahlten Jahreszeit für Ärztinnen und Ärzte.

Die künstliche Deckelung durch Budgetierung für Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten muss entfallen, damit die Praxen jede Untersuchung und Behandlung bezahlt bekommen, die sie für ihre Patientinnen und Patienten leisten.

3. Ambulantisierung

Im Vergleich zu anderen Ländern mit guter Gesundheitsversorgung finden in Deutschland noch zu viele Eingriffe stationär statt, also mit mindestens einer Übernachtung im Krankenhaus. Bei mehr als vier Millionen Operationen im Jahr wäre das medizinisch nicht nötig. Teilweise bezahlen so die gesetzlichen Krankenkassen für die Behandlungen gut viermal so viel, als wenn diese ambulant stattfinden würden. Eine solche Ambulantisierung würde auch den Patientinnen und Patienten unnötige Krankenhausaufenthalte ersparen sowie umgekehrt die Krankenhäuser entlasten. Dies kann allerdings nur funktionieren, wenn sowohl Krankenhäuser als auch Praxen für die gleiche Leistung die gleiche Finanzierung erhalten sowie – vereinfacht gesagt – die gleichen Spielregeln gelten (Zugangsvoraussetzungen, Leistungskatalog).
Die Bundesregierung hat genau das versprochen; nun muss sie dies konsequenter vorantreiben als bisher.

4. Sinnvolle Digitalisierung

Immer mehr Patientinnen und Patienten haben bereits Berührung mit dem elektronischen Rezept – kurz: eRezept – oder mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – kurz: eAU. Anfang 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) flächendeckend hinzukommen und nach und nach zusätzliche Inhalte und Funktionen erhalten.

Die Praxen sind engagiert ganz vorne mit dabei, brauchen aber dringend mehr Unterstützung, und zwar in Form:

  • voll ausgereifter und getesteter Technik und Software – bisher dienen die Praxen als „Teststuben“ mit erheblichem Zeitaufwand, und dies mitten im laufenden Praxisbetrieb
  • verbindlicher Mindest-Standards für Praxis-Software bei der Anpassung an die neuen digitalen Anwendungen – nicht alle Hersteller liefern, was die Praxen brauchen;
  • einfacher Wechselmöglichkeiten, wenn diese Mindest-Standards nicht eingehalten werden – noch können die Praxen nicht so ohne Weiteres den Anbieter wechseln (sogenannter Lock-In-Effekt)
  • zuverlässiger Server und Dienste – bislang sind diese enorm störungsanfällig, was fast täglich zu Problemen in Praxen und Apotheken führt
  • eines schnellen und einfachen Problem-Melde-Systems sowie eines verlässlichen und gut erreichbaren Technik-Supports – oft müssen die Praxen stundenlang hinterhertelefonieren und werden von A nach B geschickt
  • aufgeklärter und informierter Patientinnen und Patienten – hier sind das Bundesgesundheitsministerium und viele der gesetzlichen Krankenkassen ihrer Pflicht noch nicht nachgekommen
  • einfacher Nutzungs- und Datenschutzregelungen – die bisher geplanten sind für viele Patientinnen und Patienten zu kompliziert
  • einer vollen Finanzierung aller gesetzlich vorgeschriebenen Digitalisierungsschritte – bislang zahlen die Praxen drauf
  • einer Abschaffung der Sanktionen – noch immer droht der Gesetzgeber fast ausschließlich den Praxen mit Strafzahlungen, selbst wenn sie nichts für die Verzögerung der Digitalisierung geschweige denn für die Fehlfunktion unausgereifter Anwendungen können.

5. Mehr Weiterbildung in Praxen

Die Weiterbildung ist jene Phase, in denen sich Ärzte und Psychotherapeuten nach ihrem Studium in einem bestimmten Fachgebiet spezialisieren, zum Beispiel zum Facharzt für Allgemeinmedizin oder zur Fachärztin für Orthopädie oder zum Fachpsychotherapeuten für Kinder und Jugendliche.

Dies findet noch überwiegend in Krankenhäusern statt, obwohl diese viele Untersuchungen und Behandlungen gar nicht mehr durchführen. Das heißt, die Weiterbildung umfasst nicht mehr den vollständigen Versorgungsalltag mit den breit gefächerten Erkrankungsbildern und Diagnosen ihres Fachgebietes. Um diese auf dem medizinisch und technisch aktuellen Stand kennenzulernen, muss die Weiterbildung schwerpunktmäßig in Praxen stattfinden.

Hierfür müssen unter anderem die Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene Regelungen für eine entsprechende Finanzierung der ambulanten Weiterbildung schaffen.

6. Weniger Bürokratie

Über die auf dem Praxisschild stehenden Sprechstunden hinaus haben Praxen reichlich zu tun. Beispielsweise ist in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Bürokratie hinzugekommen: Mehr als 61 Tage pro Jahr muss jede Praxis im Durchschnitt für „Papierkram“ aufwenden; obwohl viele Dokumentationspflichten längst durch den technischen Fortschritt überholt sind.

Krankenkassen, Rentenversicherung, Jobcenter und viele andere stellen Anfragen, fordern Berichte und ausgefüllte Formulare. Gut 90 Prozent der Praxen fühlen sich durch diese Bürokratie überlastet, die zudem rund Zweidrittel der Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner davon abschreckt, sich niederzulassen, also mit einer eigenen Praxis selbständig zu machen.

Bürokratie zu reduzieren ist eine kleinteilige Aufgabe. Die KBV hat dem Bundesgesundheitsminister bereits eine Liste mit Vorschlägen übermittelt. Beispielsweise wäre Hausärzten sowie Kinder- und Jugendlichen-Praxen damit geholfen, wenn sie bei kurzer Krankheitsdauer keine Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit oder „Kind krank“ mehr für die Arbeitgeber ausstellen müssten.

Weitere Vorschläge finden Sie in unserem Begleitpapier.

7. Keine Regresse

Immer wenn Ihre Ärztin oder ihr Arzt Ihnen etwas verordnet, entsteht daraus eine sogenannte veranlasste Leistung: neben Arzneimitteln zum Beispiel auch Physiotherapie, Rollstuhl oder Schuheinlagen.

Für Vertragsärzte – also jene, die ihre Leistungen für gesetzlich Versicherte mit den Krankenkassen abrechnen– gelten gesetzliche Vorgaben: Die verordneten Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Dies wird von den Krankenkassen kontrolliert, mit sogenannten Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Diese sind für die Praxen sehr aufwändig.

Hinzu kommt ein finanzielles Risiko, denn Praxen können in Regress genommen werden. Beispielsweise passiert dies, wenn sich am Ende der Grippesaison herausstellt, dass sich in der Praxis weniger Menschen gegen das Grippevirus impfen ließen als die Praxis zuvor geschätzt hatte. Diese Schätzung muss sie aber bereits im Frühjahr vornehmen und die Impfdosen mehr als ein halbes Jahr vor Saisonbeginn bestellen.

Der Regress hat zur Folge, dass die Praxis die übriggebliebenen Impfdosen bezahlen muss.

All das belastet die Praxen und schreckt rund die Hälfte der Medizinstudierenden davon ab, eine eigene Praxis betreiben zu wollen.

Deshalb muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass alles, was medizinisch veranlasst und begründet ist, keine finanziellen Forderungen von gesetzlichen Krankenkassen gegenüber Vertragsärztinnen und -ärzten nach sich zieht.

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